Filmkritik: „Young Adult“

Young AdultJason Reitman hat sich mit seinen letzten zwei Filmen „Juno“ und „Up in the Air“ als einen Namen als fähiger Regisseur zeitgenössischer Stoffe gemacht. Besonders die Balance zwischen niveauvoller Comedy und überzeugendem Drama scheint seine Stärke zu sein, und die zeichnet auch seinen neuen Film „Young Adult“ aus, für den wie schon bei „Juno“ Diablo Cody das Drehbuch geschrieben hat. Die Handlung kreist um Mavis Gary (Charlize Theron), eine Schriftstellerin von Kinder- bzw. Jugendbüchern, die sich auf einer etwas befremdlichen Mission befindet: Sie will ihren Ex-Freund Buddy aus der Highschool zurückerobern –  auch wenn der (gespielt von Patrick Wilson) längst verheiratet und zudem gerade Vater geworden ist.

Mavis, die zu diesem Zweck aus Minneapolis in ihre heimatliche Kleinstadt Mercury reisen muss, wähnt ihren Ex in den Fängen einer spießigen Existenz als Familienvater in der Einöde und hat sich fest vorgenommen, ihn daraus zu befreien. Außer acht lässt sie dabei, dass Buddy keine Anzeichen gibt, gerettet werden zu müssen. Und auch dass sie selbst – obwohl mit Mitte 30 noch äußerst attraktiv – keine sehr überzeugender Retterfigur abgibt. Ihre Karriere als Schriftstellerin steht kurz vor dem aus, sie trinkt zu viel und verhält sich ihren Mitmenschen gegenüber nicht sehr nett.

Bemerkenswert an „Young Adult“ ist vor allem, wie es dem Film gelingt Mavis absolut überzeugend als unsympathische Heldin anzulegen. Dabei muss das Publikum einige Szenen über sich ergehen lassen, bei denen fremdschämen die einzig natürliche Reaktion ist. Etwa wenn sie bei Treffen mit ihrem Ex (und eigentlich die komplette erste Stunde des Films über) die Gesamtsituation völlig falsch einschätzt und Dinge sagt und tut, die absolut daneben sind. Das funktioniert, weil Charlize Theron ihrer Figur trotz des Selbstmitleids und dem Hang zur Zerstörung eine gewisse Würde verleiht.

Das Drehbuch wiederum versteht es, die Geschichte als ernsthaftes Portrait einer (vorübergehend) gescheiterten Existenz anzulegen. Wie immer sind stimmige Nebenrollen von großer Bedeutung, davon gibt es in „Young Adult“ vor allem eine: Mavis‘ gehbehinderter Schulkamerad Matt (Patton Oswald, der locker eine Oscar-Nominierung verdient hätte), der ihre Mission von Anfang an kritisiert, ihr aber doch immer wieder als Saufkumpan zur Seite steht. Auch Patrick Wilson als Buddy und Elizabeth Reaser als dessen Frau sind sehr gut besetzt, wie auch alle anderen Nebenrollen.

Die Welt, in der Mavis glaubt zu leben, ist eine Wahnvorstellung. Wie sie dazu gekommen ist erklärt „Young Adult“ in vielen einprägsamen Bildern und Szenen. Etwa wenn sie ihren Eltern gesteht, Alkoholikerin zu sein und die das nicht mal zu hören scheinen, sie jeden Morgen völlig hinüber in ihrem Hotelzimmer aufwacht oder dem verdatterten Matt Vorwürfe macht, die nicht nur unfair sind, sondern vor allem viel besser auf sie selbst zutreffen.

Der Wirklichkeit stellt der Film Mavis‘ immer wieder eingebundenen Versuch eines neuen Romans gegenüber, in dem immer wieder Einsichten und Fehleinschätzungen ihres eigenen Lebens zu erkennen sind. Insgesamt ist „Young Adult“ ein ziemlich unbequemer Film geworden, auch im Vergleich zu den vorigen Werken des Regisseurs. Die brüllend komische Sprache von „Juno“ blitzt nur ganz selten auf, die Leichtigkeit von „Up in the Air“ ist weg.

Mit letzterem gibt es aber eine recht große Schnittmenge, denn Clooneys Figur darin war ebenfalls ein erwachsener Mensch auf der Flucht vor sich selbst. Beide Filme zeigen ihre Hauptfiguren in den Wochen kurz bevor sie ihre Leben umkrempeln. Die weitere Entwicklung ist nicht Teil der Geschichte. Es mag zwar manchmal weh tun, Mavis im vermeintlichen Endstadium ihres trostlosen Daseins zuzuschauen, aber „Young Adult“ belohnt sein Publikum spätestens mit der furios auf den Punkt gebrachten letzten halben Stunde seiner Laufzeit.

5/5