Carlos – Der Schakal (Kinoversion)

Mit Filmbiographien tue ich mich bekanntlich schwer, und so hat es auch eine Weile gedauert, bis ich mir „Carlos“ angesehen habe. Der Film ist in der Kurzfassung schlanke 3 Stunden lang und erzählt die Geschichte des internationalen Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“. Carlos (gespielt von Edgar Ramirez) ist überzeugt von der „anti-imperialen Sache“ und hat sich dem bewaffneten Kampf verschrieben. Als Mitglied einer pro-palästinensischen Gruppe macht er sich schnell als eiskalter Vollstrecker einen Namen, eckt jedoch bald mit den Autoritäten an – denn reinreden lassen will er sich bei seinen Operationen nicht.

Der Film beginnt mit Carlos‘ Zeit in Europa, vor allem London und Paris. Dort verübt er die ersten Mord- und Bombenanschläge, bevor ihm seine Bosse ein große Operation anvertrauen. Gemeinsam mit fünf Partnern stürmt Carlos das OPEC-Treffen in Wien und nimmt die anwesenden Öl-Minister als Geiseln. Die Gruppe kann mit ihren Geiseln fliehen, am Ende jedoch ihre Ziele nicht erreichen. Das Scheitern der Mission führt zur Spaltung von der Gruppe, Carlos gründet mit einigen Vertrauten eine selbstständige Terrorzelle – die unter anderem mit der Stasi Kontakte pflegt.

Eine klassische Dramaturgie hat der Film nicht zu bieten, es wird chronologisch die Geschichte der Titelfigur erzählt. In der Kurzfassung kommt – meinem Gefühl nach – das Ende ein bisschen kurz, da werden dann schnell auch mal 5 Jahre übersprungen. Die interessantesten Szenen sind in den ersten zwei Dritteln zu finden, wobei man ein wenig Vorwissen mitbringen sollte um zumindest das Nötigste von den politischen Hintergründen zu verstehen.

Die Inszenierung ist äußerst gelungen, Regisseur Olivier Assayas („Boarding Gate“) setzt auf lichtdurchflutete Bilder im 70er-Jahre Cinemascope-Look. Die Darstellung der Gewalt im Film ist weniger an drastischen Effekten interessiert als an der plötzlichen Brutalität und der emotionalen Gleichgültigkeit der Terroristen gegenüber ihren Opfern. In der Hauptrolle überzeugt Edgar Ramirez, der „Carlos“ als Monster mit menschlichem Antlitz spielt. Trotz vieler sich bietender Gelegenheiten zum Over-Acting bleibt er stets überzeugend und seiner Rolle – auch im Wandel der Zeiten – treu. Auch der Rest des großen Ensembles verbreitet große Authenzität, auch weil wenig bekannte Gesichter dabei sind (abgesehen von Alexander Scheer aus „Sonnenallee“).

Eine klare politische Aussage ist bei „Carlos“ nicht zu erkennen. Der Fokus liegt ganz auf der Hauptfigur, und die wird nicht als romantischer „Che“-Verschnitt präsentiert sondern eher als machtbessener, kaltblütiger und von sich selbst berauschter Egomane. Die komplexen Zusammenhänge im Hintergrund sind – zumindest in der Kurzfassung – nur zu erahnen, gut möglich, dass die 330 Minuten lange DVD- und Fernsehfassung hier mehr zu bieten hat. Wer sich für das Thema Terrorismus interessiert wird dem Film sicherlich etwas abgewinnen können. Eine actionreiche Killer-Story sollte man aber nicht erwarten, dafür hat der Film – nicht nur wegen der vielen eingestreuten Archivbilder – zu stark dokumentarischen Charakter.

4/5

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