Filmkritik: Perfect Sense

Perfect Sense„Perfect Sense“ gehört mit Sicherheit zu den Filmen, die das Publikum spalten. Die einen sehen eine mutige, bildgewaltige Mischung aus Endzeit-Drama und Romanze, die anderen eine verkorkste Love-Story mit gequält biblischen Untertönen. Ich zähle mich eher zur ersten Gruppe, auch wenn ich für die andere durchaus Verständnis habe. Immerhin erzählt Regisseur David Mackenzie vom Ausbruch einer Seuche, die der Menschheit den Geruchssinn raubt, und von einem Paar, das sich während dieser Seuche in Glasgow kennen und lieben lernt. Wer die Idee interessant findet, sollte sich den Film besser ansehen und hier nicht weiterlesen, auch wenn hier (hoffentlich) nicht zuviel verraten wird. Ich selber hatte so gut wie keine Ahnung, was mich erwartet, bei diesem Film vielleicht keine schlechte Idee.

Die Stars des Films sind – wie auf dem unpassenden, weil beliebigen, Poster zu erkennen ist – Eva Green und Ewan McGregor. Green spielt die Epidemiologin Susan, die sich bei ausgiebigen Spaziergängen mit ihrer Schwester von einer zerbrochenen Beziehung erholt. McGregor spielt den Koch Michael, dessen Liebesleben von seiner Unfähigkeit geprägt ist, gemeinsam mit einer Partnerin im Bett Schlaf zu finden. Dass diese beiden zusammenfinden (sollen) wird schnell klar, doch da wäre ja noch die Sache mit der Seuche, und deshalb fällt die erste intimere Begegnung der beiden äußerst ungewöhnlich aus.

Kurz bevor die Menschen ihren Geruchssinn verlieren werden sie von überwältigenden Trauergefühlen befallen. Susan lässt sich gerade von Michael bekochen, als es bei ihr dazu kommt. Wenig später liegen beide weinend nebeneinander, am nächsten Morgen ist ihr Geruchssinn weg. Dieses gemeinsame Erlebnis wird die beiden verbinden im weiteren Verlauf, und es bleibt nicht das einzige. Den Menschen ist in „Perfect Sense“ zunächst nicht klar, ob die Krankheit ansteckend ist, ob es ein Gegenmittel geben wird oder wie der weitere Krankheitsverlauf aussehen wird. Susan gehört zu einem Team von Forschern, das verzweifelt nach Antworten sucht – ohne Erfolg. Michael und seine Kollegen müssen bei ihren Gerichten vorerst kräftiger würzen als zuvor, ansonsten geht das Leben scheinbar normal weiter. Mit dieser Normalität wird es am Ende des Films vorbei sein.

Zugegeben, auf dem Weg zur beinahe unvermeidlichen Auflösung sind einige Szenen zu kitschig, rührselig oder prätentiös geraten. Auch der beschwörende Off-Kommentar, bei dem nicht ganz klar ist, wer sich da eigentlich zu Wort meldet, stört unnötig. Doch zum Glück überwiegen die guten Szenen, in denen der Film sein – ziemlich konstruiertes – Szenario konsequent weiter entwickelt. Da gelingen Regisseur Mackenzie einige großartige Einstellungen, die lange im Gedächtnis bleiben. Das Drehbuch sorgt für eine gute Balance zwischen dem persönlichen Drama von Susan und Michael und den immer ungewöhnlicheren Umständen, in denen sie leben. Das nur scheinbar gemächliche Erzähltempo und das gute Timing sind weitere Stärken des Films.

Großen Anteil am Erfolg des Films hat die sehr gelungene Love-Story zwischen Susan und Michael, und damit die beiden Hauptdarsteller. Green und McGregor sind sehr gut besetzt, weil sie beide nicht auf bestimmte Rollen-Typen festgelegt sind. Sie schaffen es, ihre Figuren überzeugend und bodenständig erscheinen zu lassen. Weil sie im Zentrum eines so ungewöhnlichen Szenarios stehen ist es für „Perfect Sense“ von immenser Bedeutung, dass sie sowohl als Paar als auch als Identifikationsfiguren funktionieren.

Wer sich auf die Exposition des Films nicht einlassen mag, der wird mit „Perfect Sense“ nicht viel anfangen können. Auch Zuschauer, die sich gerne auf das „Was wäre wenn“-Spiel einlassen werden (wie der Autor dieser Zeilen) etwas zu bemängeln haben. Sicher ist aber, dass der Film und seine Macher mutig und mit viel Geschick einen ungewöhnlichen, im positiven Sinne interessanten und dabei sogar noch unterhaltsamen Film geschaffen haben. Das ist mehr, als man über viele andere Filme sagen kann, und verdient wie ich finde Respekt.

4/5

PS: [Spoiler] Anders als zuletzt Steven Soderbergh in „Contagion“ ist „Perfect Sense“ nicht an einem Maximum an Realismus interessiert. Der schrittweise Verlust der Sinne und die Reaktion der Menschen (bzw. der Menschheit) darauf stehen im Zentrum, die Epidemie ist hier nur Mittel zum Zweck.