Filmkritik: Dame, König, As, Spion

Dame König As Spion (Tinker Taylor Soldier Spy)„Dame, König, As, Spion“ ist im Genre des Agentenfilms der absolute Gegenentwurf zu Filmreihen wie „Mission: Impossible“ oder den Bondfilmen. Es gibt keine charmanten Alphatiere, die reihenweise Gegenspieler niedermähen und schöne Frauen vernaschen, es gibt keine Actionszenen und keinen Bösewicht, der die Weltherrschaft an sich reißen will. Zumindest keinen mit einem Kätzchen im Arm… Um die Weltherrschaft geht es über Umwege schon, denn der Film – eine Adaption des gleichnamigen Romans von John LeCarré – spielt Anfang der  70er Jahre, also mitten im Kalten Krieg.

Der britische Geheimdienst (intern nur ‚Circus‘ genannt) hat ein Problem: auf höchster Ebene hat sich in der Organisation ein Maulwurf eingeschlichen, der den Ostblock mit brisanten geheimen Informationen versorgt. Chef ‚Control‘ (John Hurt) schickt zu Beginn des Films den Agenten Prideaux (Mark Strong) nach Budapest, um dort einen General zu treffen, der die Identität des Maulwurfs kennt. Die Operation geht schief, ‚Control‘ und seine Numer zwei George Smiley (Gary Oldman) werden in den Ruhestand versetzt. Wenig später wird ‚Control‘ tot aufgefunden.

Der für den Geheimdienst zuständige Staatssektretär Lacon beauftragt Smiley mit der Suche nach dem Maulwurf und stellt ihm den jungen Agenten Guillam (Benedict Cumberbatch) zur Seite. Die Ausgangslage ist simpel und verzwickt zugleicht. In Frage kommen nur vier hochrangige Mitarbeiter des Circus (deren Codenamen in etwa den Originaltitel des Filmes ergeben: „Tinker, Taylor, Soldier, Spy“), darunter der neue Chef Alleline (Toby Jones), sowie die langjährigen Mitarbeiter Bland (Ciaran Hinds), Haydon (Colin Firth) und Esterhase (David Denchik). Die schief gelaufene Operation in Budapest, das Verschwinden des jungen Agenten Tarr (Tom Hardy) in Istanbul und ein unter merkwürdigen Vorzeichen übergelaufener russischer Diplomat sind offenbar der Schlüssel zur Aufklärung des Rätsels.

Der vom schwedischen Regisseur Tomas Alfredson („So Finster die Nacht“) inszenierte Film nimmt sich viel Zeit für seine Geschichte, die er zum Teil in Rückblenden erzählt, in denen viele der wichtigsten Fakten ans Tageslicht kommen. In langen, ruhigen Einstellungen, oft mit langsamen Zooms, entwirft er ein tristes, von Intrigen, Geheimnissen und Halbwahrheiten bestimmtes Bild des Milieus. Mittendrin scheint nur George Smiley (den Gary Oldman mit großer Zurückhaltung und beeindruckender Präsenz verkörpert) den Überblick zu behalten – bei ihm laufen (scheinbar) die Fäden zusammen. Wem man als Zuschauer in diesem lange äußerst undurchsichtigen Szenario überhaupt trauen kann ist bis kurz vor Schluss nicht klar.

Ziemlich unmodern verlangt „Dame, König, As, Spion“ die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Wer einmal nicht genau hinguckt (oder besser hinhört), dem entgehen wichtige Details, die der Film eher beiläufig präsentiert. Im Verlauf der Story fallen nicht mehr als ein halbes Dutzend Schüsse, Verfolgungsjagden oder Prügeleien sind gar nicht im Angebot. Smiley geht allen Spuren mit großer Sorgfalt auf den Grund, stösst dabei aber immer wieder auf scheinbar lose Enden und unerklärliche Zusammenhänge. Wie bei einem Puzzle fügen sich die Teile langsam zu einem stimmigen Gesamtbild.

Neben dem erstklassigen Darsteller-Ensemble und der bereits erwähnten herrlich lakonischen Inszenierung ist es vor allem das dramaturgisch stimmige, sich unaufhaltsam durch die komplizierte Geschichte kämpfende Drehbuch, das „Dame, König, As, Spion“ zu einem wunderbar altmodischen, erzählerisch virtuosen Agentenfilm der alten Schule macht. Ich kenne weder die Romanvorlage noch die erste Verfilmung von 1979, aber ich könnte wetten, dass dieser Film dem Stoff absolut gerecht wird. Ich werde weiter meinen Spaß an den eher Action-orientierten Agentenfilmen haben, doch ernsthaftere Abwechslung wie diese hier ist für jeden Freund des Genres ein Muss.

5/5