Kleiner Exkurs: Streaming-Anbieter

Eine der vielen Entwicklungen, die Corona brandbeschleunigt hat, ist der Trend zum Streaming. Ein guter Zeitpunkt also, um sich mit den in Deutschland Anfang 2021 verfügbaren Angeboten mal genauer zu beschäftigen. Denn ohne es so richtig zu bemerken bin ich Kunde von gleich vier Anbietern geworden – Netflix, Amazon Prime, Disney+ und Apple TV+. Laufen tun die übrigens auf einem Fire TV Stick von Amazon, denn die alte Philips-Glotze von 2010 läuft und läuft und läuft. So viel zum Setup.

Auswahl/Inhalt

In Sachen Auswahl hat klar Netflix die Nase vorn. Mir gefällt außerdem die Einfachheit des Modells – alles, was verfügbar ist, ist im Abo enthalten. Während immer noch sehr viele eingekaufte Produktionen zu finden sind, setzt Netflix seit einigen Jahren vor allem auf selbst produzierte Serien und Filme. Aktuell finde ich nicht so schrecklich viel Neues, was mich wirklich interessiert, aber das kann sich auch schnell wieder ändern…

Bei Amazon Prime Video gibt es ebenfalls eine Menge Auswahl. Allerdings ist mir das immer noch viel zu unübersichtlich, was nun im Abo enthalten ist, und was nicht – denn über die Plattform kann man unzählige andere Filme und Serien leihen oder „kaufen“. Aber Prime Video ist für Amazon ja auch nur eines von vielen Standbeinen seines auf generelle Kundenbindung ausgelegten Prime-Programms, bei dem ich – wegen der wegfallenden Lieferkosten und schnelleren Lieferzeiten – ohnehin Kunde bin.

Apple TV+ gab es zu meinem letzten Smartphone für ein Jahr „geschenkt“. Der Service ist mit überschaubarem eigenen Angebot gestartet, und hat eher Qualität als Quantität im Sinn. Ob das funktioniert, muss man abwarten – die ein oder andere Perle war immerhin schon dabei. Wie bei Prime Video ist das ganze ein Mischangebot (man kann auch Filme & Serien kostenpflichtig leihen oder „kaufen“), Apple ist ja quasi Erfinder der Plattform-Denke und vor allem König im Mitverdienen…

Bei Disney+ habe ich ein wenig gezögert, denn das Angebot baut im Wesentlichen auf drei Säulen auf, die mich alle nur bedingt ansprechen: Die Universen von „Star Wars“ (ich bin kein Fan und habe trotzdem alle Filme gesehen) und „Marvel“ (selbe Begründung), sowie die Animationsfilme (nicht mein Beuteschema). Am Ende waren es die guten Kritiken für „The Mandalorian“, die mich dazu bewogen haben, es mal zu probieren. Wie man liest, wird Disney bald eine vierte Säule namens „Star“ integrieren.

Die Apps (auf dem Fire TV Stick)

Netflix ist aufgeräumt und übersichtlich. Mir fehlt allerdings ein Weg, schnell in die Tiefen des Contents abzusteigen. Die Vorschläge sind irgendwie immer dieselben, und wenn der Algorithmus eine Verbindung nicht herstellt (oder die dafür nötige Info halt nicht da ist, weil man Filme/Serien außerhalb von Netflix gesehen hat), bleibt nur die Suche per gezielter Eingabe. Die wiederum hilft aber nicht, wenn man nur stöbern will.

Zwei große Nachteile hat die App aus meiner Sicht. Erstens plärrt immer sofort irgendwas los – ein Trailer oder direkt der jeweils ‚ausgewählte‘ Inhalt. Das macht mich irre, und ich drücke immer erstmal die „mute“-Taste, bevor ich die App starte. Zudem kann man die Netflix-App nicht über die „Zurück“-Taste der Fernbedienung beenden, sondern muss auf den „Beenden“-Button navigieren. Ein nerviges und unnötiges Alleinstellungsmerkmal.

Prime Video ist ein komplizierter Fall. Denn auf dem Fire Stick ist man ja ohnehin bereits auf der Startseite im Prime-Universum, und kann darüber Filme und Serien ansteuern. Es gibt aber eine zusätzliche Prime Video App, die zwar im Vergleich zu früher besser geworden ist, aber immer noch nicht wirklich überzeugen kann. Auch hier gilt, dass in den Tiefen des Contents nicht bequem gestöbert werden kann. Schade. Flatrate-Inhalte sind neuerdings besser, aber noch längst nicht optimal von kostenpflichtigen Inhalten getrennt.

Wenig überraschend ist die App von Apple TV+ die eleganteste von allen. Die Trennung zwischen „eigenen“, im Rahmen des Abos kostenlosen, und kostenpflichtigen Inhalten ist okay-ish umgesetzt. Die Bedien-Optionen während der Wiedergabe sind gewöhnungsbedürftig, was problematisch ist, wenn man angesichts des eher dünnen Angebots eher selten bei Apple TV+ landet.

Ziemlich viel richtig macht Disney+. Das quantitativ übersichtliche Angebot ist sinnvoll aufgeteilt, man findet sich schnell zurecht und bekommt sinnvolle Vorschläge. Ich bin gespannt, ob das auch nach der Integration vom „Star“-Channel so bleibt.

Preis & Perspektive

Insgesamt muss an dieser Stelle „Danke, Netflix!“ gesagt werden. Mit Knebel-Abos, wie sie bei etwa bei Sky immer üblich waren, ist Schluss. Alle Dienste lassen sich, wie Netflix es vorgemacht hat, monatlich kündigen. Jahresabos sind bei einigen Anbietern etwas günstiger als die monatliche Zahlweise, was ich aber völlig legitim finde.

Es wird spannend werden, ob Netflix angesichts der massiven Bemühungen der Konkurrenz seine Stellung als Marktführer halten kann. Mit Disney und Warner (siehe Anmerkungen zu HBO Max unten) werden zwei Wettbewerber keine Inhalte mehr an Netflix lizensieren, andere Studios verfolgen ähnliche Pläne. Mit 12€ für das Angebot in HD ist Netflix aktuell der teuerste der hier vorgestellten Anbieter – entsprechend wird der Dienst weiter viel Geld für „Orginals“ ausgeben und dabei nicht wenige Volltreffer landen müssen, um den Preis zu rechtfertigen.

Etwas undurchsichtig ist die Strategie von Amazon mit Prime Video. Einerseits gibt der Konzern eine Milliarde (!) für eine neue „Herr der Ringe“-Serie aus, und will also offenkundig ein großes Publikum gewinnen. Andererseits ist Prime Video aber eben nur eine von mehreren Säulen des Prime-Programms (welches zwischen 6€ und 8€ monatlich kostet), das wiederum nur ein Teil von Amazon ist.

Ähnlich sieht es bei Apple TV+ aus. Der Konzern hat finanziell alle Möglichkeiten, den Dienst mächtig auszubauen. Und die Wachstumsstrategie zielt auch auf Abos für Musik, Filme oder Cloudspeicher. Wie ernst es Apple damit ist, wie rentabel das Geschäftsmodell wäre, ob der aktuelle Preis von 5€/Monat bleiben würde, und ob man nicht doch vorhat, einen Wettbewerber zu kaufen, ist aber unklar. Aktuell scheint es dem Konzern zu reichen, erste Schritte zu machen und die treue Kundschaft ihrer teuren Hardware erstmal kostenlos ins Boot zu holen.

Bei Disney setzt man dagegen offenbar voll und ganz auf den Streaming-Dienst. Das Kinogeschäft ist schwierig dieser Tage, auch wenn Disneys Mega-Blockbuster für die neue Kinowelt nach Corona wohl bestens geeignet sind. Disneys Gelddruckmaschinen haben eine treue Fan-Basis, die man sicher leicht überzeugen kann, monatlich für ein Abo zu bezahlen – sofern es gelingt, beständig echten Mehrwert zu liefern. Von den anfangs verlangten 7€ monatlich geht es mit dem Start des oben erwähnten „Star“-Channels bald hoch auf 9€, und da ist sicher noch lange nicht Schluss.

Am Rande erwähnt: HBO Max & SkyGo

In den USA hat Warner schon 2020 HBO Max gestartet, womit der Markt einen weiteren mächtigen Player bekommen hat. In Deutschland wird der Dienst wohl in der zweiten Jahreshälfte gestartet. Zum Start ist mit einem Abo-Preis von 12€ – 15€ auszugehen, dafür gibt es jede Menge starker (HBO-)Serien, sowie den kompletten Back-Katalog an Filmen von Warner.

Hier unerwähnt geblieben ist außerdem Sky, weil ich A) kein Kunde bin und B) mir scheint, dass sich das Angebot immer eher über Live-Sport definiert hat, als über Filme und Serien. Der größte Pay-TV-Sender des Landes wird sich trotzdem nicht kampflos geschlagen geben. Denn auch im Sportgeschäft hat man mächtig Konkurrenz bekommen, und wenn HBO Max in Deutschland startet, fallen perspektivisch die von dort eingekauften Premium-Inhalte („Game of Thrones“, „Succession“, etc.) weg. Mehr Eigenproduktionen laufen bereits, und günstiger sind die Abos glaube ich auch geworden – aber das ist alles gefährliches Halbwissen…

Fazit

Lässt man Sky aus den oben genannten Gründen außen vor, dann müsste ein an Filmen und Serien interessierter Zuschauer in Deutschland ab Herbst ca. 45€ Euro bezahlen (4K wäre teurer), um alle fünf Dienste schauen zu können: Netflix, Prime Video, Apple TV+, Disney+ und HBO Max. Das wollen und können sicher nicht alle potentiellen Zuschauer zahlen, zumal in dieser Betrachtung die Rundfunkgebühren für das öffentlich-rechtliche Angebot (ca. 6,50€ pro Monat und Haushalt, Kündigung nur im Todesfall) oder einen klassischen Kabelanschluss (ca. 12€ – 20€ pro Monat) noch gar nicht eingerechnet sind.

Eine Möglichkeit ist natürlich, immer nur den Service zu abonnieren, bei dem man gerade etwas schaut. Immerhin kann man ja monatlich kündigen. Für Filme ist das allerdings wohl weniger praktikabel als für Serien. Spart man sich einen Dienst, dann wird man zwangsläufig irgendwas „verpassen“.

Die Strategie für Netflix, Disney+ und HBO Max kann nur sein, sich „unverzichtbar“ zu machen. Denn für sie ist Streaming das neue Kerngeschäft. Die Konzerne hinter Prime Video und Apple TV+ müssen hier nicht zwingend mitziehen – aber doch absehbar die Frage beantworten, was sie mit ihren Diensten eigentlich vorhaben.

Es bleibt also spannend. Noch viel spannender als der geschäftliche und praktische Teil (der hier nur angerissen wurde) ist dabei ja die Frage, ob bei diesem Treiben großartige Filme und Serien produziert werden. Davon wiederum wird dieser Blog natürlich weiter berichten.

PS: Wer – ohne diverse Apps abzuklappern – wissen will, welche Dienste welchen Inhalt anbieten, und ob dieser zum Flatrate-Angebot gehört oder nicht, der gucke beim exzellenten und im Filmriss häufig verlinkten Portal werstreamt.es.