City of God

Bei seinem Kinostart im Mai hier in fast allen Kulturteilen der großen Zeituneng groß abgefeiert, erregte der „City of God“ – für eine brasilianische Produktion – ungewöhnlich viel Aufsehen. Nun, da der Film auf DVD erschienen ist, kann man sich also auch zuhause vor dem Fernseher ein Bild davon machen, ob der Film wirklich so gut ist, wie es von allen Seiten gesagt wurde. Sogar auf Platz 74 der Top 250 der Internet Movie Data Base ist er geklettert, damit liegt er vor „Blade Runner“ oder „The Big Sleep“.Der Film beginnt mit einigen kurzen Szenen, die sich in den frühen 80er Jahren in einem Armenviertel von Rio de Janeiro abspielen. Dann fängt die Handlung im Jahre 1968 mit einer dreiköpfigen Gang namens „Wild Angels“ an, die in der Nachbarschaft ihr Unwesen treibt. Die Nachbarschaft, das ist die „City of God“, eine von der Regierung am Rande Rios errichtete Siedlung von billigen Holzhäusern, welche die in die Städte wandernde bettelarme Landbevölkerung aufnehmen sollte. Erzählt wird im Wesentlichen die Story von Buscape, Bene und „Locke“, der zunächst noch „Löckchen“ heißt.

Während Buscape sich legal durchs Leben schlägt, starten Bene und Locke schon als Kinder eine Gangsterkarriere, und wenn die Handlung von 1968 in die späten 70er Jahre springt, sind die beiden Partner bereits mit 18 die Bosse des inzwischen um einige Neubauten bereicherten – Viertels und kontrollieren fast den gesamten Drogenhandel, während Buscapes Wunsch, Fotograf zu werden, daran zu scheitern droht, dass er schlicht keine vernünftige Kamera auftreiben kann. Nach einigen dramatischen Entwicklungen beginnt ein brutaler Bandenkrieg, ein nicht enden wollendes Blutbad, angezettelt von Locke und seinem Kontrahenten „Karotte“. Es passiert noch einiges mehr in diesem Film, aber weitere Inhaltsangaben würde hier schlicht den Rahmen sprengen.

Die Brutalität in der „Stadt Gottes“ ist ein zentrales Thema, und ihre Darstellung ist schonungslos. Es wird so häufig geraubt und gemordet, dass man am Ende beinahe den Überblick verlieren könnte, wer eigentlich noch lebt. Das ist nur deshalb nicht der Fall, weil sich der Film auf eine einigermaßen überschaubare Zahl von wichtigen Rollen begrenzt. Dabei ist Buscape eindeutig der einzige Charakter, mit dem sich der Zuschauer identifizieren kann (und wohl auch soll). Locke hingegen ist ein mordlüsterner Gangster, eine Bestie, die nur Gier und Hass kennt. Sein Partner Bene steht irgendwo dazwischen, ist ein netter Mensch, bei allen beliebt, und trotzdem auch Drogendealer. Zur besseren Orientierung gibts einen Off-Kommentar von Buscape, der seine persönliche Geschichte und parallel die seines Viertels erzählt.

Regisseur Fernando Meirelles blendet am Ende des Geschehens einen Hinweis ein, dass die Ereignisse des Films auf wahren Gegebenheiten basieren. Trifft das wirklich zu, ist die „Cidade de Deus“(Originaltitel) damit einer der schlimmsten Orte, die ich im Kino bis jetzt gezeigt bekommen habe, klammert man Kriegsschauplätze und ähnliches aus. Visuell ist der Film äußerst sehenswert, wobei Meirelles frühere Arbeit als Werbefilmer hin und wieder durchscheint. Obwohl „City of God“ ganz gut (mit allerlei Slang) ins Deutsche übersetzt wurde (man achte auf die Synchronstimme Buscapes) und auf diese Weise einfacher zu verstehen ist, wird die Originalfassung mit Untertiteln sicherlich einige Vorteile bieten, vor allem bei der Authenzität des Geschehens.

Einige Kritiker bemängelten, Mereilles übertreibe es mit der plakativen Gewalt, und liegen damit in gewisser Hinsicht gar nicht so falsch. So halte ich es für wahrscheinlich, dass einige jüngere Zuschauer nicht in der Lage sein werden, die Gewalt richtig zu deuten. Doch gilt hier, was auch für andere Gang-Filme wie z.B. „Menace to Society“ gilt: es kann nicht Aufgabe des Regisseurs sein, Jugendliche zu erziehen. Zudem wird jenen Zuschauern, die einigermaßen geradeaus denken können, wenig nachahmenswertes Verhalten geboten, mit Ausnahme von dem Buscapes. Das vielleicht wichtigste Ziel erreicht „City of God“ jedenfalls voll und ganz: Der Film lenkt(e) viel Aufmerksamkeit auf die Bewohner solcher Armenquartiere. Und vielleicht hilft das, die Dinge dort ein wenig zum Guten zu verändern. Schließlich kann es nur besser werden.

9/10