Filmkritik: Beginners

BeginnersLetztes Jahr verpasst habe ich „Beginners“, obwohl ich ein großer Fan von „Thumbsucker“ bin, dem vorigen Film von Mike Mills. Wie es scheint war dessen Stärke nicht ganz zufällig das große Einfühlungsvermögen in die Charaktere, denn auch „Beginners“ besticht vor allem durch die gelungenen Figuren und ihre starken Darsteller. Der Film beginnt damit, dass Oliver (Ewan McGregor) dem Publikum im Off-Kommentar erzählt, wie sich sein Vater Hal nach dem Tod seiner Frau im Alter von 75 Jahren als schwul geoutet hat. Nicht viel später hat Hal für seinen Sohn noch eine wichtige Nachricht: er leidet an unheilbarem Krebs.

„Beginners“ erzählt von der schwierigen Beziehung zwischen Vater und Sohn, die Oliver natürlich durch das späte Coming-Out seines Vaters noch einmal unter neuen Vorzeichen aufarbeiten muss. Dabei hat der Film kein Interesse daran, eine oder mehrere Figuren zu verurteilen, er zeichnet vielmehr (aus Olivers Sicht) den ungewöhnlichen Weg nach, den sie (zusammen) gegangen sind. Hals Homosexualität ist da nur ein Thema von vielen, der Film geht angenehm unaufgeregt damit um. Das gilt auch für Olivers Reaktion auf den ‚Boyfriend‘ seines Vaters, einen Fitnesstrainer im selben Alter wie er selbst.

Die Geschichte entfaltet sich im Wechsel aus Rückblenden in Olivers Kindheit und Jugend, in die jüngere Vergangenheit und der Gegenwart – in der Oliver eine Beziehung mit der französischen Schauspielerin Anna (Melanie Laurent) führt. Seine Bindungsangst – eine Folge der recht leidenschaftslosen Ehe seiner Eltern – wird dabei ebenso zum Problem wie die beiden gemeinsame Tendenz zum Schwermut.

Trotz der vielen ernsten Themen ist „Beginners“ kein düsterer Film geworden. Zu sehr ist er (wie der Titel schon sagt) an Anfängen und den (wenigen) positiven Aspekten interessiert, etwa der zaghaften Annäherung zwischen Oliver und Anna. Beginnen tut diese in einer der schönsten Szenen: er ist bei einer Motto-Party als Sigmund Freud verkleidet, sie legt sich wortlos aber bestimmt auf seine Couch. Es sind solche leisen, aber sorgfältig komponierten und mit feinem Gespür inszenierten Szenen, die den Film zu einem echten Vergnügen machen – vorrausgesetzt, man lässt sich offen auf die Geschichte ein.

4/5