Casino Royale

Nach vier Filmen mit Pierce Brosnan als James Bond haben die Produzenten der 007-Reihe die Zusammenarbeit beendet. Etwas verdutzt nahm die Welt zur Kenntnis, daß fortan der Engländer Daniel Craig als Superagent die Welt retten sollte. Die Vorbehalte gegen Craig waren immens. Er ist blond, sieht nach herkömmlichen Standards nicht so gut aus wie Brosnan und hat sich bislang keineswegs einen Namen als Actionheld gemacht. Auch ich war einigermaßen skeptisch, andererseits aber auch schwer enttäuscht von Brosnans letztem Film „Die Another Day“. Zuviel irrwitziger Zirkus, zu vollgestellt und – für Brosnan ungewöhnlich – zu uncool. So ist die Neubesetzung der Hauptrolle auch eine Chance für die Produzenten, ein paar Änderungen vorzunehmen, und diese Chance haben sie erstaunlich konsequent genutzt.Der „neue“ Bond, der sich in „Casino Royale“ vorstellt, ist gerade erst zum 00-Agenten befördert worden. Zum Ärger seiner Vorgesetzten M (Judi Dench) nutzt Bond seine neuerworbene Lizenz zum Töten bei seinem zweiten Einsatz eine Spur zu Publicity-wirksam ein. Trotz ihrer Mißgunst schickt sie 007 zu einem gefährlichen Einsatz nach Montenegro, wo der verschlagene Geldwäscher Le Chiffre (Mads Mikkelsen) im „Casino Royale“ eine Pokerrunde mit monströsen Einsätzen veranstaltet. Dabei an seiner Seite ist die schöne Vesper Lynd (Eva Green), die in erster Linie auf die Bond anvertrauten 10 Millionen Dollar aufpassen soll.

Verglichen mit den jüngsten Brosnan-Filmen hat sich im Universum Bond einiges geändert. Es gibt keinen Q, und somit auch nur sehr wenige Gimmicks, es gibt keine extra lange Actionsequenz vor den Credits, und es gibt – zum Glück – auch keinen aberwitzigen Bösewicht, der die Welt beherrschen will. Die Story von „Casino Royale“ legt ihren Fokus eindeutig auf die Figur des Geheimagenten, der sich in der komplizierten Welt der internationalen Spionage zurecht finden muss. Daniel Craig ist als Bond weniger glatt als sein Vorgänger, und die Arbeit geht ihm weniger leicht von der Hand. In einer der schönsten Szenen des Films kommt kurz Bonds Herkunft als Waisenjunge ins Spiel, ein wichtiger Hinweis darauf, dass diese neue Bondfigur nicht als smarter Superheld und Frauenverführer auf die Welt gekommen ist. An anderer Stelle kommt gar die Frage auf, ob er sein Dasein als Spion nicht völlig aufgeben sollte.

Eva Green macht als Bonds Love-Interest eine sehr gute Figur. Im Gegensatz zu den allermeisten Bondgirls kann man die von ihr gespielte Vesper Lynd als Figur ernst nehmen. So schick Halle Berry auch sein mochte, ihre Rolle als toughe CIA-Agentin Jinx in „Die Another Day“ war letztlich nichts weiter als ein scheeles Zugeständnis an den Massengeschmack. Judy Dench ist als M wie immer überzeugend und sorgt für ein bißchen Kontinuität, Jeffrey Wright gibt einen guten Felix Leiter, während die Abwesenheit von Q nicht sonderlich schwer wiegt. Der originale Q-Darsteller Desmond Llewelyn ist ohnehin nicht zu ersetzen, auch wenn mir scheint, dass sich die Produzenten für den nächsten Film einen Nachfolger suchen werden.

Einer großen Tradition der Reihe bleibt man gleichwohl treu. Die Handlung umfasst locker ein halbes Dutzend Schauplätze, darunter Prag, die Bahamas, Miami, Montenegro und Venedig, Bösewicht Le Chiffre verschlägt es anfangs gar in den Dschungel Ugandas. Die Action hat sich dagegen stark gewandelt. Statt gigantischer Sets und wilden Effekten gibt es nun beinahe herkömmliche Schießereien und Verfolgungsjagden, die jedoch packend und mit viel Gespür fürs Material umgesetzt wurden. Bonds erste Großtat in „Casino Royal“ ist eine wahrlich beeindruckende Verfolgungsszene per pedes quer durch eine Großbaustelle samt der dazugehörigen Kräne. Gegen Ende zeichnet er verantwortlich für den Untergang eines kompletten Altbaus, der unzweifelhaft unter Denkmalschutz stand…

Ein paar Schwächen gibt es leider auch zu vermelden. So ist der Film locker eine Viertelstunde zu lang, und die Story nicht immer sonderlich schlüssig. Auch sind einige Szenen (Stichwort: Selbstwiederbelebung) etwas over-the-top geraten und lassen einen schon mal schmunzeln. Grundsätzlich aber ist dieser Neustart ein voller Erfolg geworden. Daniel Craig verleiht James Bond mit seiner ungeschliffenen, körperbetonten Art neue Facetten, ohne ihr damit zu schaden. Das Drehbuch enthält eine Vielzahl klassischer Szenen (Casino, Aston Martin, Vernaschen der Frauen von Bösewichtern), die dem Film den dringend benötigten Bond-Charakter verleihen, und darüber hinaus einige köstliche Dialoge. Regisseur Martin Campbell hat mit „Goldeneye“ schon einmal einen sehr guten Neustart der Reihe in Szene gesetzt, und ist auch in diesem Fall ganz klar die richtige Wahl. Vergessen wir also das ganze Gerede, daß Craig kein Bond sein kann – denn es ist, wie es bei Bondfilmen sein sollte: Man hat gerade einen gesehen und freut sich schon wie ein kleines Kind auf den nächsten.

9/10