Avatar (3D)

Kaum zu glauben, aber wahr. 12 Jahre nach „Titanic“ hat James Cameron mal wieder einen neuen Film herausgebracht. Und natürlich nicht irgendeinen, sondern DEN Film, der die Weichen des Kinos endgültig auf 3D stellen soll. Das zumindest ist die Erwartungshaltung an „Avatar“, die in der US-Filmindustrie vorherrscht. Mit einem Budget von $ 230 Mio. (ohne Marketing) ist das kein ganz risikofreies Unterfangen – aber wem, wenn nicht Cameron, würde man soviel Geld in die Hand drücken?

Der Film läuft heute in Deutschland an, sowohl auf herkömmlichen Leinwänden wie auch in 3D-Kinos. Die Vorpremiere im IMax am Potsdamer Platz war voll bis unter das Dach, und am Ende gab es tatsächlich Applaus – allerdings nur von einem Teil des Publikums. Enttäuscht waren aber wohl auch die wenigsten, denn was „Avatar“ in punkto 3D und Special-Effects bietet ist den Eintrittspreis allemal wert gewesen.

Die Story beginnt mit der Ankunft einer Gruppe von Marines auf dem Planeten Pandora. Die Menschen wollen die gewaltigen Rohstoffvorkommen des Planeten nutzen, stoßen aber auf Widerstand unter den einheimischen Bewohnern der Na’vi. Die Na’vi sind groß, schlank und blau, und sie leben offenbar völlig im Einklang mit der beeindruckenden Natur ihres Planeten (wer hier an edle Wilde/Indianer denkt liegt genau richtig). Einer ihrer Stämme lebt in einem gigantischen Baum, zum Leidwesen der Menschen genau dort, wo die größten Rohstoff-Reserven zu finden sind.

Der Plan ist also, die Wilden zum Umdenken zu bewegen. Dazu wurden Avatare geschaffen, künstliche Wesen mit dem Äußeren und allen anderen Eigenschaften der Na’vi, die von Menschen gesteuert werden. Notwendig sind diese Avatare, weil Menschen in der Atmosphäre von Pandora nicht überleben können. Einen von ihnen steuert Jake Scully (Sam Worthington), ein Marine, der im Rollstuhl sitzt, und als Ersatz für seinen Zwillingsbruder, einen Wissenschaftler, eingesprungen ist. Einen weiteren steuert Grace Augustine (Sigourney Weaver), die Chef-Wissenschaftlerin des ganzen Projekts.

Bei einem der Forschungs-Ausflüge geht Jake verloren, und muss sich alleine durchschlagen. Dabei bekommt er unverhofft Unterstützung der jungen Na’vi-Dame Neytiri, die Jake bald in ihren Clan einführt. Das Doppelleben des Soldaten beginnt. Wenn der Avatar schläft berichtet Jake – dann wieder im menschlichen Wachzustand auf der Militärbasis – von seinen Erlebnissen. Während die Wissenschaftler noch an eine friedliche Lösung des Konflikts glauben, bereitet das Militär in Person von Colonel Quaritch (Stephen Lang) eine Invasion vor. Jake gerät zwischen die Fronten und muss sich ultimativ für eine Seite entscheiden…

Von den ersten Minuten an lässt „Avatar“ keine Zweifel aufkommen, dass er neue Maßstäbe setzen will. Eine atemberaubende Einstellung der Schwerelosigkeit in einem Transport-Container macht den Anfang und demonstriert die Perfektion der Effekte. Schon die Innenaufnahmen der Basisstation haben starke 3D-Effekte, der Zuschauer sitzt fast immer mit im Bild. Richtig los geht es dann natürlich bei den Ausflügen auf Pandora. Die von riesigen Bäumen geprägte Natur mit ihrer exotischen, vielfältigen Tierwelt sind so detailliert und wirken so natürlich, dass die Illusion dieser fremden Welt perfekt gelingt. Das gleiche gilt für die Na’vi selbst, die bis auf ein paar kleine Ausnahmen hervorragend animiert wurden und keineswegs als pixelige Aliens rüberkommen.

Visuell gibt es also nichts auszusetzen an „Avatar“, James Cameron hat Wort gehalten. Bessere, größere Action und Effekte als in diesem Film hat es im Kino noch nicht gegeben. „Lord of the Rings“ oder „Harry Potter“, „Terminator“ oder „Transformers“, sie können alle einpacken angesichts dieser Perfektion. Und ich denke, das trifft auch noch auf die 2D-Version des Films zu (Hat die jemand gesehen, Feedback?). Hier bleiben keine Fragen offen. Bei der Story des Films sieht das jedoch ein wenig anders aus.

Rein zweckmäßig ist die Handlung genau der richtige Rahmen für die Zurschaustellung der überwältigenden Tricktechnik und 3D-Aufnahmen. Auch die Figuren sind gut gewählt, eben so wie die Schauspieler, die sie spielen. Dass die Geschichte von den bösen Menschen und den edlen Ureinwohnern/Aliens keinen Innovationspreis bekommt ist James Cameron (der auch das Drehbuch geschrieben hat) sicher klar.

Für meinen Geschmack ist der Bogen aber etwas überspannt, was nicht zuletzt am Ethno-Kitsch des Soundtracks liegt, sowie an den zuweilen doch arg vereinfachten Entwicklungen der Story im letzten Drittel. Kann man als Erbsenzählerei bezeichnen, muss aber gesagt werden. Das ständige Weltmusik-Gejodel und die naive Indianer/Krieger-Romantik machen den Film nicht kaputt, aber man hätte hier den Pegel von mir aus gerne ein Stück zurückdrehen können. Noch schlimmer ist dann der Song, der am Ende zu den Credits läuft. Mehr Pathos geht nicht mehr.

Wie dem auch sei, „Avatar“ ist in der Tat ein Erlebnis von einem Film und mit weitem Abstand der beste Blockbuster des Jahres. Wer ein IMax oder sonst ein 3D-Kino in der Nähe hat sollte die ca. 15 Euro für den Spaß investieren, WENN irgendein Film in Zeiten von Heimkino-für-alle den Gang ins Kino lohnt, dann ist es dieser hier. Auch wenn der Film ein paar kleine Schwächen hat (und von mir aus auch ein wenig kürzer sein könnte) ist er doch eine großartige Leistung aller Beteiligten. Und wer am Medium Film Interesse hat, der MUSS sich einfach ansehen, wie die Grenzen des Machbaren sich mit „Avatar“ verschoben haben.

4/5

PS: Ich bin sehr gespannt, ob er die finanziellen Erwartungen erfüllen kann, würde aber aus dem Bauch heraus sagen: mit Sicherheit. Die Tickets für die 3D-Version sind teuer, und sie werden angesichts der wenigen Säale begehrt und rar sein. Also wird „Avarar“ sicher länger als nur ein oder zwei Wochen für ausverkaufte Häuser sorgen. Ob die 2D-Version so richtig Feuer fängt ist weniger sicher, denn erstens „fehlt“ ja irgendwie was (eine Dimension, um genau zu sein), und zudem lockt der Film nicht mit großen Stars, die treue Fanscharen mitbringen.

PPS: Von wegen „Zukunft ds Kinos liegt in 3D“ muss ich folgendes sagen. Die Produktion und Finanzierung eines gigantischen Projekts wie „Avatar“ dauert Jahre, dementsprechend dürfte sich die Zahl vergleichbarer Projekte in den nächsten Jahren in Grenzen halten. Drei, vier richtig große 3D-Releases sind sicher ab 2011 zu erwarten, dazu die 3D-Versionen von komplett animierten Streifen wie „Up“ und Konsorten.

Die Meßlatte für 3D liegt nun ein gutes Stück höher als vorher, und mit eilig zusammengeschusterten, Hauptsache-in-3D-gedrehten Filmen würde man das Publikum eher vergraulen. Bin mal gespannt, ob jemand mal probiert ein ganz „normales“ Drama ohne große Action in 3D zu drehen – und ob das Ergebnis sehenswert wäre oder nicht…