Filmkritik: American Sniper

American Sniper FilmplakatKriegsdrama, USA 2014

Regie: Clint Eastwood; Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Kyle Gellner

„American Sniper“ erzählt ‚based on true events‘ die Geschichte des Navy Seals-Scharfschützen Chris Kyle, der in seinen vier Touren im Irak über 160 „confirmed kills“ verbucht hat. Für viele US-Amerikaner ist Kyle einer der wenigen Helden, die der Krieg im Irak hervorgebracht. Clint Eastwoods Film war in den USA nicht nur unfassbar erfolgreich (bestes Einspielergebnis eines Kriegsfilms seit Anbeginn der Zeit), sondern auch ein echtes Politikum.

Die Handlung ist schnell erzählt. Kyle steigt im Irak unter den Soldaten schnell zur Legende auf. Seine Treffsicherheit erledigt reihenweise Gegner und rettet gleichzeitig vielen Kameraden der Bodentruppen das Leben. Zuhause bei Frau und Kind(ern) läuft es weniger rund. Zu anders ist das zivile Leben, zu groß der Druck, im Irak auch seinen ärgsten Widersacher „The Butcher“ zu erwischen.

„American Sniper“ ist nicht ganz die ultrapatriotische Heldengeschichte, die ich befürchtet hatte. Weder ist in jeder zweiten Einstellung die US-Flagge zu sehen noch werden die US-Soldaten besonders heroisch dargestellt. Die Gefechtsszenen sind denen aus „The Hurt Locker“ nicht unähnlich und spannend inszeniert. Auch Chris Kyle selbst wird nicht zum übermächtigen Rambo stilisiert, sondern als überaus begabter Scharfschütze mit „exzellenten Arbeitsergebnissen“ dargestellt. Ein Soldat, der glaubt, dass seine Taten die Mitbürger in San Diego oder New York sicherer machen.

Das Problem bei der Sache ist somit weniger, was der Film über die US-Truppen und die Heimatfront erzählt, sondern was er über die Gegenseite und den Krieg an sich nicht erzählt. Die politische „Lage“ wird bequem mit den Bildern vom 11. September abgekürzt, die „Aufständischen“ im Irak sind weitgehend namen- und gesichtslose Bösewichter, die alle irgendwie zu al-Qaida gehören und ihren Kindern Granaten in die Hand drücken.

Die gezeigten Gefechte mögen realistisch dargestellt sein, trotzdem verstellt diese Einseitigkeit den Blick auf den Konflikt als ganzes. Der Film setzt den Hollywood-Trend fort, über die Soldaten nur gutes und über den Krieg als ganzes lieber nichts zu erzählen. Das aggressive Auftreten der US-Truppen als Besatzer (in der Wahrnehmung der Iraker), der fehlende Plan für die Zukunft des Landes, Skandale wie Abu Ghraib, oder die nicht vorhandene, von der Politik ersponnene Verbindung zwischen 9/11 und Saddam Hussein sowie dessen ebenso wenig vorhandenen Massenvernichtungswaffen – das alles findet im Film nicht statt. Kein Wunder, denn das würde Kyle und seine Kameraden zu traurigen Figuren in einem fragwürdigen Konflikt machen, zu Kollegen von Folterknechten und marionettenhaften Handlangern unfähiger bis überforderter Politiker und Generäle.

Regisseur Eastwood sieht eine extrem starke Antikriegsbotschaft seines Films darin, dass er zeigt wie die Familien der Soldaten leiden, und wie schwer es ist aus dem Krieg ins zivile Leben zurückzukehren (siehe hier). Damit liegt er sicher nicht falsch. Die Darstellung seiner Figuren als aufrechte Kämpfer für die ‚Freiheit der westlichen Welt‘ und ihrer Verbündeten wirkt angesichts der bekannten Hintergründe trotzdem mächtig hohl.

Handwerklich und schauspielerisch ist an „American Sniper“ wenig auszusetzen. Der immense Erfolg des Film sagt dennoch mehr über die Befindsamkeiten der amerikanischen Volksseele aus als über die Klasse des Films, der außerhalb der USA zurecht schnell in Vergessenheit geraten wird.

3/5