Filmkritik: Oh Boy

Oh Boy FilmposterDrama, Deutschland 2012

Regie: Jan Ole Gerster; Darsteller: Tom Schilling, Mark Hosemann, Friederike Kempter

Studienabbrecher Nick treibt in Berlin auf der Suche nach sich selbst vor sich hin. Das Jurastudium hat er ohne Wissen der Eltern abgebrochen, der Führerschein ist weg wegen mehrfacher Alkoholfahrten. Die neue Wohnung steht voller Kisten, kaum eine ausgepackt. Die Bilder in Schwarzweiss erinnern über weite Teile sehr deutlich an Filme von Woody Allen, sie zeigen die Stadt in melancholisch-wohlwollenden Einstellungen. Auch der jazzigen Soundtrack erinnert an den New Yorker Altmeister.

Nick ist bemüht, seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Aber er ist dabei so passiv, dass er meist als Spielball der anderen handelnden Personen endet. Seine Perspektivlosigkeit ist selbst verschuldet, und doch mehr als die innere Leere eines Jungen aus reichem Hause. „Oh Boy“ zeigt nur einen kleinen Abriss seines Lebens, zwei Tage vielleicht, in der sich keine klassische Geschichte entwickelt, sondern langsam die Konturen der Hauptfigur herausgearbeitet werden. Dank der guten Darsteller sieht man dem Treiben gerne zu, und hin und wieder blitzt in der trüben Szenerie auch sehr feiner Humor auf.

„Oh Boy“ ist kein typischer deutscher Erfolgsfilm (er hat vor ein paar Wochen den Filmpreis gewonnen), insofern als dass er kein in der jüngeren Geschichte angesiedelter Problemfilm ist. Diese Abwesenheit von jeglichem historischen Ballast habe ich als sehr angenehm empfunden. Über die Gegenwart in Deutschland macht der Film keine großen Beobachtungen, er bleibt nah bei seinem Hauptdarsteller und seiner Stadt. Von ein paar Schwächen wie etwa der unpassenden Szene beim Verkehrspsychologen abgesehen ist er – auch mit Hilfe der „geliehenen“ Stilmittel – ein sehenswerter Beitrag zum an solchen recht armen deutschen Kino der Gegenwart.

4/5