Filmkritik: „Thor“

Um ehrlich zu sein habe ich bis vor ein paar Monaten nicht gewusst, dass der nordische Donnergott „Thor“ auch als Superheld des Marvel-Universums existiert. Doch dann kamen die ersten Trailer zum Film, und bei der Besetzung des Regisseurs habe ich aufgehorcht: Kenneth Branagh ist als Schauspieler und Regisseur vor allem bekannt für Shakespeare-Verfilmungen (z.B. „Hamlet“), eine Superhero-Geschichte ist also für ihn neues Terrain.

Man kann recht schnell erkennen, was Branagh am Film gereizt haben könnte, denn „Thor“ ist letztlich die Geschichte eines alternden Königs und seiner zwei um die Thronfolge kämpfenden Söhne. König Odin von Asgard (Anthony Hopkins) steht kurz davor, Thor (Chris Hemsworth) als seinen Nachfolger auszurufen. Doch ein wieder aufkeimender Konflikt mit den Eisriesen des Reiches Jötunheim und Thors aufbrausende Reaktion darauf veranlassen Odin, Thor auf die Erde zu verbannen, bis er sich und seine Kräfte (symbolisiert durch den dicken Hammer) besser im Griff hat.

Auf Erden trifft Thor auf ein Team von Wissenschaftlern, ganz besonders angetan hat es ihm dabei die schöne Jane (Natalie Portman). Seine Umgangsformen und sein etwas rauer Charakter sorgen dafür, dass der kantige Held mit der US-Spezial-Einheit aneinander gerät, die sich seinen Hammer unter den Nagel gerissen hat. Während Thor also auf Erden so seine Probleme hat, liegt in Asgard sein Vater im Koma – und sein Bruder Loki (Tom Hiddleston) schmiedet finstere Pläne…

Ein äußerst streitbarer Aspekt des Films ist der sehr künstliche, fantastische Look, den Branagh dem Königreich von Asgard verpasst hat. Einige Szenen sehen schon nicht mehr nach einem realen Spielfilm aus und könnten aus einem Motion-Capture-Film wie „Der Polarexpress“ stammen. Ich habe wie üblich keine Ahnung, ob das der Comic-Vorlage entspricht, aber ich finde den Stil-Mix aus blankpolierten CGI-Fantasy-Bauten und nordischen Krieger-Kostümen nicht sehr passend.

Die Charaktere hingegen hat Branagh ganz gut hinbekommen, zumindest was die Krieger aus Asgard angeht. Da schwingt zwar meist viel Pathos mit, aber das gehört zum Stoff dazu. Die Szenen (und Figuren) auf der Erde sind dagegen etwas zu deutlich als Zugeständnis an die junge Zielgruppe eingebaut. Sie machen Spaß, sind aber ganz offensichtlich nur ein Mittel zum Zweck – der Showdown findet natürlich woanders statt. Auch die Love-Story zwischen Thor und Jane ist recht einfältig, was die beiden nach ein paar verbrachten Stunden im Ausnahmezustand aneinander finden sollten bleibt recht unklar.

Immerhin ist „Thor“ eine Comic-Adaption, die man nicht gefühlt schon 25 mal gesehen hat. Ich bin durchaus gespannt, wie der Donnergott sich nächstes Jahr auf der Leinwand mit seinen „Avengers“-Kollegen Hulk, Iron Man und Captain America verstehen wird. Für sich allein kann der Film – und seine Hauptfigur – zwar ganz gut unterhalten, handwerklich ist das alles solide (wenn auch wie gesagt bisweilen Geschmackssache). In den einzelnen Kategorien (Action, Drama, Spannung) kommt er aber über ein gehobenes Mittelmaß nicht hinaus.

3/5