Essential Killing

Dass der Hauptdarsteller eines Films über die gesamte Laufzeit kein Wort spricht ist selten. So ist es aber im Falle von „Essential Killing“, in dem Vincent Gallo den Taliban-Kämpfer Mohammed spielt. Anfangs kauert er in einer Schlucht in seiner Heimat und tötet einen US-Soldaten und zwei Söldner. Anschließend wird er von den US-Streitkräften gefangen und – mit Dolmetscher – verhört. Doch da hat er wegen der Explosion einer Granate noch ein so entsetzliches Fiepen im Ohr, dass er kein Wort versteht.

Als er dann per Waterboarding verhört/gefoltert wird ist niemand dabei, der eine ihm verständliche Sprache spricht. Mit etwa einem Dutzend weiteren „ungesetzlichen Kämpfern“ wird er dann nach Polen geflogen, wo er in eines der geheimen CIA-Gefängnisse gebracht werden soll. Ein Unfall des Militär-Konvois verhindert das, Mohammed kann fliehen. Doch in der kargen Winterlandschaft Polens spricht – sofern überhaupt Menschen unterwegs sind – auch keiner seine Sprache…

„Essential Killing“ erzählt schnörkellos und (trotz des potentiell sehr heiklen Sujets) ohne politische Untertöne die Geschichte eines Mannes, der in einer feindlichen Umgebung auf der Flucht ist. Die Frage danach, ob er in irgendeinem Sinne schuldig ist spielt dabei keine Rolle. Mohammed kämpft ums Überleben, mit allem was er hat. Daher auch der martialische Titel des Films, denn ohne gewalttätige Konflikte geht das nicht über die Bühne. Den Großteil des Films hetzt seine Hauptfigur durch verschneite Wälder, auf der Suche nach Sicherheit, Nahrung und einem Ausweg. Zuweilen übersteigert Regisseur Jerzy Skolimowski dabei die Handlung bis ins Surreale.

Somit ist „Essential Killing“ reines Bewegungskino und lebt (fast) allein von der Fähigkeit seines Hauptdarstellers, die Leiden, Nöte und Ängste des einsamen Kriegers anschaulich, begreiflich und nachfühlbar zu machen. Vincent Gallo – der streitbaren Independent-Ikone – gelingt das sehr gut, und auch deshalb ist es kein wirkliches Vergnügen, den Film zu sehen; es tut immer wieder auch weh. Gallos Figur ist gefangen in einer Abwärts-Spirale, tritt in Bärenfallen, isst giftige, Halluzinationen auslösende Früchte und wird gar von einem gefällten Baum getroffen.

Der Film folgt ihm dabei mit minimalistischen Mitteln. Kein künstliches Licht, nur spärliche Musik und ein paar aus dem Hubschrauber gefilmte Sequenzen. Immerhin verzichtet man auf nerviges, pseudo-realistisches Handkamera-Gewackel, sondern bleibt mit konventionellen Methoden nah dran an seiner Hauptfigur. Ganz bewusst als Gegenteil von modernen Actionfilmen inszeniert, in denen Gewalt gern vereinfacht, verherrlicht und ohne psychologische Nebenwirkungen gezeigt wird, präsentiert „Essential Killing“ einen Menschen, der gezwungen ist, wie ein Tier zu leben. Gewalt ist hier grausames Mittel zum Zweck. Und der Zweck heisst überleben.

4/5

PS: Regulär im Kino läuft der Film hierzulande nicht, „Essential Killing“ wird aber ab dem 23. Mai von Ascot Elite auf BluRay und DVD gestartet.

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