Der Gute Hirte

Es ist eine Weile her seit Robert De Niro als Schauspieler Triumphe feiern konnte. Den guten Mann scheint bei der Rollenauswahl das Glück verlassen zu haben, anders kann ich mir Fehltritte wie „Godsend“ oder „Showtime“ nicht erklären. Die Fortsetzungen seiner Komödienhits „Meine Braut, Ihr Vater & ich“ und „Reine Nervensache“ brachten zwar Geld in die Kasse, kamen aber über lahme Wiederholungen von bekannten Gags nicht hinaus. Nun ist De Niro zum zweiten Mal hinter die Kamera getreten und hat einen Film über die Entstehung des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes C.I.A. gemacht.Man schreibt das Jahr 1939. Edward Wilson (Matt Damon) ist ein junger Student und Mitglied der geheimen Verbindung Skull & Bones. Der Krieg in Europa erreicht langsam auch die US-Realität, und bald tritt ein Agent an Wilson heran. Man brauche frische Kräfte, die bereit seien, ihrem Vaterland einen Dienst zu erweisen. So macht sich Wilson auf nach London, um das Spionage-Handwerk zu erlernen. Seine schwangere Frau Margaret (Angelina Jolie) lässt er zuhause zurück. Wilson wird eingeführt in eine Welt voller Täuschungen, Intrigen, Falltüren und versteckten Interessen. Während er dieses Handwerk zunehmend besser beherrscht wächst sein Sohn ohne Vater auf, und auch seine Frau steht bei seiner Rückkehr wie eine Fremde vor ihm.

De Niros Film erzählt von der Entstehung der CIA aus dem Blickwinkel besorgter Amerikaner, die dem Einfluss des mächtigen Sowjetreiches etwas entgegen setzen wollen. Wirtschaftliche Interessen und der Wunsch, in der Welt Demokratie zu fördern, gehen Hand in Hand, der gemeinsame Feind Kommunismus schweißt alles zusammen. Das geteilte Berlin, der Krieg in Korea, die misslungene Invasion Kubas, es gibt viel zu erzählen aus den Anfangstagen dieses später für seine „übereifrigen“ Operationen bekannten Geheimdienstes. Doch der Blick des Films richtet sich zunehmend auch auf die persönliche Geschichte Wilsons. Bekannt als nüchterner, eifriger Staatsdiener muss er zunehmend knifflige Entscheidungen fällen. Wem kann er trauen und wem besser nicht – bis schließlich sogar seine Familie darüber in Gefahr gerät.

Der Ansatz dem Thema sowohl geschichtlich als auch persönlich auf den Grund zu gehen ist grundsätzlich eine gute Wahl. Doch umfasst die Handlung deshalb am Ende ganze 22 Jahre, in denen die Hauptdarsteller jedoch quasi überhaupt nicht altern. Damon wird vom Studenten zum Agenten und schließlich zum Vater eines erwachsenen Sohnes ohne eine einzige Falte zu bekommen. Ähnlich liegt der Fall bei Angelina Jolie. Hier wäre eindeutig mehr Überzeugungsarbeit (will sagen Make-Up) nötig gewesen, denn mit der Glaubwürdigkeit der Figuren leidet zuletzt der ganze Film.

Der Film pendelt auf der Zeitebene häufig zwischen 1939 und 1961 daher, mit einigen Szenen in den Jahren dazwischen. So gelingt es zwar, einen großen Teil der in der ersten Hälfte erzeugten Spannung bis ans Ende zu retten, doch da hat der Film schon an Glaubwürdigkeit verloren und darüber hinaus auch eine knappe halbe Stunde zu lange gedauert. Interessant und gut gespielt ist „Der Gute Hirte“ trotzdem über seine gesamte Laufzeit. Wer sich für diesen Teil der jüngeren Geschichte begeistern kann, sollte sich die Chance nicht nehmen lassen, der Central Intelligence Agency bei ihrer schwierigen Geburt zuzusehen. Das umständliche, aber clevere Drehbuch hält einige starke Szenen und Wendungen parat, und auch die hochkarätige Besetzung der Nebenrollen (William Hurt, Billy Crudrup, Alec Baldwin, Joe Pesci, John Turturro) kann sich wahrlich sehen lassen.

7/10