Rückblick 2006

WINTER
Es ging gut los im letzten Winter, vor allem dank der Verzögerung, mit der Hollywod seine Oscar-Anwärter auf hiesige Leinwände bringt. Mit „The New World“ brachte Terrence Malick einen wahrhaft großen Film heraus, wie man ihn allzu selten im Kino zu sehen bekommt. „München“ machte Eindruck mit seiner detaillierten Darstellung jüngerer Geschichte, erforderte aber Hintergrundwissen und Geduld, und erwies sich ergo als wenig erfolgreich, allerdings nur gemessen an Spielbergs sonstigen Blockbustern. „Couchgeflüster“ sorgte für etwas Auflockerung, „Syriana“ brachte die Politik ins Spiel und lebte dabei von seinem guten Skript und der namhaften Besetzung. Dazu kamen mit dem provokativen „Lord of War“ und dem schön fotografierten „Der Ewige Gärtner“ weitere gute Filme, die sich mit aktuellen Themen auseinander setzten. „Jarhead“ von Sam Mendes konnte nicht überzeugen, die Leinwand-Adaption von Houellebeqcs „Elementarteilchen“ war ein totaler Reinfall, Atom Egoyans „Wahre Lügen“ dagegen ein echtes Vergnügen. „The Pink Panther“ war in jeder Hinsicht komplett daneben.FRÜHJAHR
Im März kam dann der lang erwartete Wachowski-Streifen „V..for Vendetta“ und ging unter dem Strich Ordnung, war aber zu geschwätzig und keineswegs großartig. Spike Lee gelang mit „Inside Man“ ein erster Mainstream-Erfolg, zu seinen besten Filmen zählt die Bankraubstory jedoch nicht. „Basic Instinct 2“ geriet tatsächlich noch einen Tick schlechter als allseits erwartet, Clooneys „Good Night and Good Luck“ war sehr gut, wenngleich vom Stoff her zu trocken für viele potentielle Kinogänger. Philip Seymour Hoffman glänzte in und als „Capote“, was die meisten jedoch nur den Berichten über die Oscarverleihung entnahmen. Der vermeintliche Skandalfilm „Brokeback Mountain“ entpuppte sich als gut gespieltes Drama, das aber sicherlich niemanden weh getan hat.

SOMMER
Den jämmerlichen Untergang von Wolfgang Petersens Millionen-Flop „Poseidon“ wollte völlig zurecht niemand ernsthaft sehen. Nach dem katastrophalen zweiten Teil machte es „Mission: Impossible 3“ diesmal besser, ging aber (wohl dank der privaten Eskapaden von Tom Cruise) an der Kasse ziemlich baden. „X-Men 3“ sorgte für ein recht vergnügliches Spektakel, Ron Howard schaffte es etwas überraschend nicht, aus dem „Da Vinci Code“ einen spannenden Thriller zu machen – zum Geld machen hat es immerhin gereicht. „Superman“ kam zurück, sah und ging dann auch wieder. Ob er wiederkommt ist ähnlich unklar wie letztlich uninteressant. Michael Mann, in den letzten Jahren beinahe ein Garant für großes Kino, schenkte uns „Miami Vice“ und fuhr mächtig stylische Action auf, versetzte aber diesmal auch keine Berge. Johnny Depps „Piraten“ sorgten nach dem zuschauerfeindlichen WM-Sommer für Unmengen verkaufter Tickets, ob ihnen das 2007 noch einmal gelingt bleibt abzuwarten.

HERBST
„Das Parfum“ war eine durchaus positive Überraschung, während „The Black Dahlia“ nur zufriedenstellen, aber leider Gottes nicht zu begeistern vermochte. Kleinere Filme wie „Brick“, „Thumbsucker“ oder „Thank You for Smoking“ machten zwar Spaß, fanden aber – erwartungsgemäß – zunächst nur wenig Interesse beim Publikum. Die US-Komödien „Klick“ und „Der Teufel trägt Prada“ fanden ebenfalls statt und gaben ein gutes Beispiel für mittelmäßiges bis schlechtes Hollywoodkino ab. Mit „Snakes on a Plane“ und „Crank“ waren zwei spaßige Action-No-Brainer im Rennen, die mir beide gefallen haben. Michel Gondrys „The Science of Sleep“ fuhr phantasievolle Bilder auf und gefiel nebenbei als willkommene Abwechslung vom Mainstream. Hochinteressant und gelungen auch die Klima-Doku „Eine Unbequeme Wahrheit“. Woody Allen ließ sich nicht lumpen und schenkte seinen Fans „Scoop“, ohne dabei qualitativ an „Match Point“ heranzukommen, mit „Borat“ wurde Fremdschämen auf unterhaltsame Art zum Leistungssport. Ein rundum gelungenes Comeback gab 007, „Casino Royale“ hauchte der Reihe neues Leben ein und macht Laune auf weitere Streifen mit Daniel Craig als James Bond. Martin Scorsese lieferte mit „The Departed“ einen grandiosen Thriller und darf mal wieder auf einen Oscar hoffen. Mel Gibsons „Apocalypto“ erwies sich schließlich als ungewöhnlicher und faszinierender Film, sein Ruf bleibt jedoch weiter arg geschädigt.