München

Der Jahresbeginn 2006 ist eindeutig schwer durch Polit-Kino geprägt. „Der Ewige Gärtner“ prangerte das Zusammengehen von Industrie und Geheimdiensten in Afrika an, „Lord Of War“ wirft einen kalten Blick auf die Realitäten internationalen Waffenhandels. Mit „Syriana“ läuft demnächst noch ein Film an, der die Ölindustrie unter die Lupe nimmt. Ebenfalls allein durch sein Thema ein politischer Film ist Steven Spielbergs „München“, der allerdings nicht so ganz in diese Reihe passen will. Der Film thematisiert die Folgen des Attentats auf israelische Sportler bei den olympischen Spielen 1972 in München. Wer mit den Hintergründen des Anschlags und der folgenden Vergeltungsmaßnahmen nicht vertraut ist, der kann sich unter diesem Link bei der deutschsprachigen Ausgabe der Wikipedia ein Bild machen. Sicher lassen sich im Netz aber noch viele weitere Darstellungen des Geschehens finden. Wer den Film lieber ohne Vorwissen auf sich wirken lasen möchte, sollte hier nicht mehr weiterlesen.„München“ beginnt mit dem Attentat selbst. Die Grausamkeit der Tat und die Leiden der Opfer werden so von Beginn an deutlich, der politische und emotionale Kontext zu dem, was darauf folgt, ist hergestellt. Von nun an ist die zentrale Figur des Films der Mossad-Agent Avner, gespielt von Eric Bana („Hulk“, „Troja“). Er steht einem Team von vier Männern vor, die von der Premierministerin Golda Meir den geheimen und inoffiziellen Auftrag erhalten, 11 mutmaßliche Drahtzieher des Attentats zu ermorden. Unter falschen Namen reist die Gruppe durch Europa, kauft bei ominösen Quellen Informationen und macht sich an ihr blutiges Handwerk. Die Planung der Liquidationen und deren Ausführung nimmt einen Großteil des über zweieinhalb Stunden dauernden Films ein.

Es ist gradezu unmöglich diesen Film allein über die Handlung und den Gebrauch filmischer Mittel zu bewerten. Zu groß ist die politische Brisanz des Themas, zu wichtig vor allem die Frage, ob die Darstellung des historischen Geschehens angemessen und ausgewogen ist. Deshalb hier meine bescheidene, auf mäßig viel Fachwissen basierende Meinung. Der Film ist keineswegs eindeutig zugunsten der israelischen Seite ausgefallen, wie es Kritiker dem Juden Spielberg vorgeworfen haben. Vielmehr hat der Regisseur an unzähligen Stellen Kommentare, Hintergründe und Kritik eingebaut. Innerhalb des Vergeltungskommandos herrscht Uneinigkeit über die faktische Schuld ihrer Opfer. Ein Palästinenser erklärt, warum er Terrorismus für notwendig hält und vergleicht das Streben seines Volkes nach einem eigenen Staat mit dem der Juden, Israel als Heimat für ihr Volk zu gründen. Jeder der getöteten Drahtzieher wird, wie das Publikum erfährt, umgehend ersetzt. Worin also besteht der Sinn, diese Menschen zu töten?

Für den Film nicht unerheblich ist natürlich die Tatsache, dass das Attentat auf die israelischen Sportler Ausgangspunkt der Geschichte ist. Dort, so scheint „München“ zu sagen, kommt die Gewalt her. Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die behaupten, das Attentat selbst sei keine Aktion, sondern eine Reaktion gewesen, auf die politische Unterdrückung der Palästinenser durch den Staat Israel. Und da wird es dann knifflig. Die Situation im Nahen Osten ist eben äußerst kompliziert, und ebenso kompliziert ist auch die politische Interpretation von Spielbergs Film. Außer Frage steht lediglich, dass Terrorismus gegen Zivilpersonen vorbehaltlos zu verurteilen ist. Und das gilt auch für die unabsichtlich bei der gezielten Liquidierung von Terroristen getöten Zivilisten. Ein Blick auf das Filmplakat ist ebenfalls interessant. Es zeigt Eric Bana, sitzend und zu Boden blickend. Sieht so ein überzeugter Antiterrorkämpfer aus?

Auf der Ebene der Figuren ist „München“ ein sehr gelungener Film. Der von patriotischer Pflichterfüllung geleitete Avner hat ebenso seine Zweifel an der Richtigkeit seiner Mission wie die meisten seiner Kollegen. Ihm gibt der Film auch als einzigem einen (sehr glaubwürdigen) persönlichen Hintergrund, eine sichtbare Familie. Einzelheiten zum Rest der Besetzung würden leider schlichtweg den Rahmen sprengen.

Von der politischen Bedeutung des Themas abgesehen liefert der Film auch eine gehörige Portion Spannung. Wie bei Spielberg üblich gibt es handwerklich nichts an ihm auszusetzen. Die häufig sehr drastischen Gewaltszenen sind sinnvoll und mit Gespür eingesetzt. Durch einige kleine Kniffe des Drehbuchs ist der Film keine bloße Aneinanderreihung von Grausamkeiten geworden. Rückblenden, kurze Story-Schlenker und Off-Kommentare verlängern so zwar die Spielzeit, verhindern aber geschickt die ewige Wiederkehr des gleichen. Unter dem Strich hat mir „München“ sehr gut gefallen, und lädt wegen seiner Vielschichtigkeit zugleich zum erneuten Betrachten ein. Bis dahin gibt es..

8/10