An Deiner Schulter

Manchmal fragt man sich doch, was in den Köpfen jener Menschen vorgeht, die für die deutschen Übersetzungen von Filmtiteln verantwortlich sind. „In Good Company“ wurde hier mit dem langweiligen Titel „Reine Chefsache“ rausgebracht, „Rumor Has It“ bekam den etwas sülzigen Titel „Wo die Liebe Hinfällt“, und nun übersetzt sich „The Upside of Anger“ mit „An Deiner Schulter“. Why is it? Nun denn, man sollte sich davon nicht abschrecken lassen, der Film ist keine Standard-Romanze sondern hat einiges mehr zu bieten. Ein bißchen erninnert das Geschehen an „American Beauty“, wenn es auch nicht ganz dessen Klasse besitzt.Joan Allen spielt Terry Ann Wolfmeyer, Mutter von vier Töchtern und wohnhaft in einem noblen Vorort von Detroit. Ihr Ehemann hat sie gerade verlassen, wie man munkelt ist er mit seiner schwedischen Sekretärin durchgebrannt. Terry frönt zunächst kräftig dem Alkohol, während sie probiert ihr neues Leben allein mit ihren Töchtern, irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Sie ist tief verletzt und wütend, gleichzeitig gewillt sich nicht unterkriegen zu lassen. In ihrem Nachbarn Denny Davies, einem ehemaligen Baseball-Star, gespielt von Kevin Costner, findet sie bald einen Trinkgenossen, der sich offensichtlich für das Leben im Hause Wolfmeyer interessiert. Zum Mißfallen von Terry verschafft er der ältesten noch zuhause lebenden Tochter Andrea (Erika Christensen) einen Job beim Radio, wo er täglich eine kurze Show moderiert.

Auch ansonsten ist einiges los in der schönen Vorstadt. Tochter Emily (Keri Russell) leidet unter Essstörungen, die augenscheinlich mit ihrem dringenden Wunsch, Balletttänzerin zu werden, zu tun haben. Nesthäkchen Popeye (Evan Rachel Wood) sucht sich als erste Liebe ausgerechnet einen hübschen Kerl aus, der sich für schwul hält. Und auch die sich anbahnende Romanze mit dem routiniert vor sich hin vegetierenden Denny kommt nur schleppend in Gang. Dominiert wird das Familienleben und auch der ganze Film jedoch von Terry selbst. Mit ihr auszukommen ist nicht ganz einfach, denn nach außen hin ist sie ein ziemlicher Besen. Mitunter gänzlich taktlos und grob, von Zweifeln und Unwissenheit gequält und dabei in einem permanten Alkoholrausch zwischen leicht angetrunken und rabenvoll, versucht sie mit dem großen Rückschlag fertig zu werden. Joan Allen ist dabei sehr überzeugend, hin und wieder schon an der Grenze zum Overacting. Auch Kevin Costner hat viel Spaß an seiner Rolle. Auf seine alten Tage entwickelt er sich noch zum sympathischen Nice Guy, der eine Figur wie Denny Davies lässig und glaubwürdig verkörpern kann.

Die Charaktere haben alle Ecken und Kanten, und „The Upside of Anger“ führt den Zuschauer stilsicher und kurzweilig durch das Auf und Ab der chaotischen Familie. Amerikanische Vorstadt-Dramen sind wahrlich keine Seltenheit und können einem auch gerne mal langweilig werden. Nicht so in diesem Film, der mit seinem gelungenen Drehbuch und seinen starken Darstellern weitgehend überzeugen kann. Ob man sich für verlassene Ehefrauen, Sorgen und Nöten von amerikanischen Teenies und versoffene Ex-Baseballspieler interessiert, sollte man natürlich vorher mit sich abgemacht haben. Einzig das Ende geht völlig in die Hose, weil es die innere Logik komplett vernichtet und dem Geschehen sozusagen im Nachfassen die Beine wegzieht. Das hätte wahrlich nicht sein müssen.

7/10