Alfie

Die alten Sechziger-Jahre-Filme mit Michael Caine erfreuen sich hoher Beliebtheit in Hollywood. Ein Remake jagt das andere, nach „The Truth about Charlie“ und „The Italian Job“ ist jetzt „Alfie“ an der Reihe. Soweit ich vom Hörensagen weiß, spielte Caine darin einen aus der Arbeiterschicht stammenden, kaltherzigen Gigolo im Swinging London. Regisseur Charles Shyer („Vater der Braut“) hat die Handlung nun von England ins Manhattan der Gegenwart verlegt, doch der nun von Jude Law verkörperte Alfie ist immer noch Brite und damit auch ein wenig ein Außenseiter.Dass Jude Law gerade zum „Sexiest Man Alive“ gekürt wurde, kam den Produzenten des Films bestimmt nicht ganz ungelegen, spielt er hier doch einen Charmeur und Herzensbrecher sondergleichen. Alfie ist ein großer Freund und Verehrer der Damenwelt, lässt allerdings in seinen lakonischen, direkt ans Publikum gewandten Kommentaren sofort durchblicken, dass ihm an festen Bindungen nicht gelegen ist. „Wine & Women“ sind die Essenz seiner streunerischen Existenz. Durch seinen Job als Chauffeur eines Limousinenservices ist er ständig in Kontakt zur High Society Manhattans, und mit seinen perfektionierten Verführungskünsten gelingt es ihm mühelos, bei den wohlhabenden und schönen Damen zu landen.

Nach langen feucht-fröhlichen Abenden kehrt er dann gerne noch bei Julie (Marisa Tomei) ein, einer sympathischen allein erziehenden Mutter, die sich dem attraktiven Luftikus ebenso wenig entziehen kann wie die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Zu allem Überfluss, aber mit sichtlichem Vergnügen lässt sich Alfie dann auch noch mit der reifen Lebefrau Liz, wunderbar gespielt von Susan Sarandon ein. Alfies bester Freund und Kollege Marlon (Omar Epps) hingegen trauert der Kellnerin Lonette (Nia Long) nach, die ihm nach einer Affäre den Laufpaß gab. Und so bewegt sich der stets schick gekleidete, wie aus dem Ei gepellte Oberhedonist durch eine Gesellschaft, die sich ihm als vermeintlicher Selbstbedienungsladen zu Füßen legt. Doch dann kommen die Dinge ein wenig ins Rutschen, eine Affäre mit Lonette bringt selbst Schlitzohr Alfie in Erklärungsnöte, ein weitere wächst (welch ein Horrorszenario) zur ernsthaften Beziehung heran und recht bald muss der Schönling einigen schmerzhaften Erkenntnissen ins Auge sehen.

Regisseur Charles Shyer inszeniert einen wahren Tanz der Oberflächlichkeiten, einen Film voller schöner Bilder, schöner Frauen, sein Manhattan zeigt sich von seiner besten und gleichzeitig düstersten Seite. In all der Makellosigkeit fehlt seinen Charakteren stets die endgültige Bodenhaftung, der Wille zum Sesshaftwerden. Alfies „Kumpanei“ mit dem Publikum, dem er seine (bescheidene) Weltsicht veranschaulicht ist auf bittersüsse Weise witzig, trägt den Film aber nicht über seine gesamte Laufzeit. Dabei schwebt das Geschehen zwischen Ernst und Satire, leiser Ironie und offener Kritik, was unter dem Strich jedoch einen etwas unkonsequenten Eindruck hinterlässt. Dass Alfie die Weisheit nicht eben mit Löffeln gegessen hat stellt auch den Film mit zunehmender Dauer vor Probleme.

Wirklich weh tut das „Alfie“ jedoch nicht, denn die durchweg fähigen Schauspieler verleihen ihren Figuren ein Mindestmaß an geistiger Schwere und verhindern so die totale Luftnummer. Sie alle erscheinen als kaum mehr als Stereotypen, und doch ist es gerade die leise Ahnung, dass dem nicht so ist, die einen beschäftigt. Jude Law glänzt in einer schwierigen Rolle, er erweckt mit „Alfie“ ein kleines Monster mit zutiefst menschlichem Kern zum Leben, dessen Entwicklung – über das Ende dieses Films hinaus – mich durchaus interessieren könnte. Denn bei aller demonstrativen Oberflächlichkeit birgt der Stoff doch einige sehr interessante Ideen und Ansätze, die einfach zu gut zum heutigen (Vorsicht: Unwort!) Zeitgeist passen wollen.

Für alle, die die Wahl haben, sei noch folgendes erwähnt: „Alfie“ ist in englischer Sprache eindeutig besser, denn der Synchronfassung kommt mit Jude Laws britischem Akzent auch ein großer Teil des Charmes seiner Hauptfigur abhanden. Das ist doppelt tragisch, denn die im Original ?besseren? Witze gehen ebenso verloren wie ein Teil des Interesses für das selbst gewählte Außenseiterdasein des großen Blenders Alfie.

7/10